Ausstieg aus der Pandemie: Die Wirtschaft fordert vom Bundesrat mehr Tempo

Schneller impfen, bis im Juni einen digitalen Corona-Pass einführen: In einem gemeinsamen Brief an den Bundesrat fordern die Wirtschaftsverbände von der Verwaltung mehr Einsatz und Umsetzung statt blosse Versprechen.

Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat die von vielen herbeigesehnten Lockerungsschritte ein weiteres Mal vertagt. «Mit den uns zur Verfügung stehenden Informationen hätten wir keinen anderen Entscheid verantworten können», sagte Gesundheitsminister Alain Berset vor den Medien. Drei von vier Kriterien, die der Bundesrat für die Öffnung definiert hatte, seien nicht erfüllt. Einzig die 5er-Regel fällt am Montag.

Für die Wirtschaft ist das Festhalten der Landesregierung an den bestehenden Massnahmen eine Enttäuschung. Sie hatte sich mit aller Kraft für eine Lockerung der Home-Office-Pflicht sowie eine Aufhebung des Öffnungsverbots für Restaurantterrassen eingesetzt.

Die wichtigsten Wirtschaftsverbände wollen indessen den Druck hochhalten, damit baldmöglichst wieder Normalität ins gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben einkehren kann. Sie haben am Samstag gemeinsam mit einer Gruppe von bürgerlichen Parlamentariern einen offenen Brief an den Bundesrat geschickt, wie der «Sonntags-Blick» berichtete. Unterzeichnet ist das Schreiben unter anderen von der Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl, dem Gewerbeverbandspräsidenten Fabio Regazzi, Casimir Platzer, dem Präsidenten von Gastrosuisse, und Andreas Züllig, dem Präsidenten von Hotelleriesuisse.

Staatlichen Eingriffen ein Ende setzen

«Wir wollen mit dem Brief verdeutlichen, dass der Bund die dringenden Umsetzungsmassnahmen an die Hand nehmen muss», sagt Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse. «Bund und Kantone haben sich in der Vergangenheit schwergetan, ein professionelles Krisenmanagement aufzuziehen. Nun müssen sie ihre Hausaufgaben machen und den staatlichen Eingriffen in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben ein Ende setzen.»

Die Wirtschaftsverbände fordern vom Bundesrat, dass er «alles» unternimmt, damit bis Ende Juni jeder Impfwillige geimpft sei. Aufgrund der Vorbehalte, welche der Bundesrat im Laufe der Frühjahrssession angebracht habe, seien «massive Verzögerungen mit schwerwiegenden Auswirkungen» zu befürchten, heisst es im Brief.

Ebenfalls fordern die Verbände, dass bis Anfang Juni ein digitaler, fälschungssicherer Corona-Pass zur Verfügung steht. Dieser soll nicht nur Geimpften Vorteile bringen. Auch Personen, die von Covid-19 genesen sind oder kürzlich negativ getestet wurden, sollen von dem Pass profitieren können. «Es zeichnet sich ab, dass diverse Länder für die Einreise künftig einen Impfpass verlangen werden», sagt Minsch. «Der Bund muss deshalb alles daransetzen, dass Reisende aus der Schweiz diese Länder zur Hauptreisezeit im Sommer erreichen können.»

Der digitale Covid-free-Nachweis würde es auch Veranstaltern erlauben, garantiert Corona-freie Events durchführen zu können. So müssten die Besucher für Grossveranstaltungen wie Konzerte, Open Airs und Fussballspiele jeweils am Eingang den Corona-Pass vorweisen. Voraussetzung für die App ist allerdings ein einheitliches, schweizweites System zur Eingabe der Testresultate, der durchgeführten Impfungen sowie der Genesenen, aus dem die Daten für eine Covid-free-App bezogen werden könnten.

Die Europäische Union hatte Mitte vergangener Woche einen grünen Pass vorgestellt, der ebenfalls Aufschluss über Impfung, Corona-Infektionen und -Tests gibt. Der digitale Nachweis, an den sich die Schweiz andocken könnte, soll ebenfalls im Juni eingeführt werden. Minsch warnt jedoch davor, sich allein auf Brüssel zu verlassen. «Wenn die EU-Lösung nicht funktioniert, muss eine Alternative bereitstehen, die international akzeptiert wird.»

Die Verbände sorgen sich derweil auch, ob die vom Bundesrat beschlossene Teststrategie wie geplant umgesetzt wird. Für Minsch haben flächendeckende Massentests in Schulen und Unternehmen derzeit zwar Priorität. Doch für die Bevölkerung müssen auch kostenlose Schnelltests für zu Hause zur Verfügung stehen. Diese sollen Personen selbständig nutzen können, bevor sie etwa an einem Fest oder einem Privatanlass teilnehmen. Minsch betont, dass mit diesen Selbsttests sehr viele Aktivitäten wieder möglich würden.

Testoffensive stockt bereits

«Testen, testen, testen» ist auch die Devise des Bundesrats. Doch zeigt sich, dass viele Kantone nicht in der Lage sind, in den kommenden Wochen ihre Testkapazitäten hochzufahren, wie dies der Bundesrat wünscht. Massenhaft getestet wird gegenwärtig bloss in den Kantonen Basel-Landschaft und Graubünden.

In den meisten anderen Kantonen ist derweil frühestens in ein paar Wochen mit einer signifikanten Ausweitung der Tests zu rechnen. So wollen die Kantone Waadt, Freiburg, Wallis sowie Solothurn, Luzern und Schwyz erst in den nächsten Wochen entscheiden, ob und wie sie ihre Pilotprojekte zu Flächentests ausweiten möchten, wie die «Sonntags-Zeitung» berichtete.

Auch im bevölkerungsreichen Kanton Zürich werden an den Schulen gegenwärtig nur Massentests durchgeführt, wenn es bereits zu einem Ausbruch gekommen ist. Der Kanton will nun seine Teststrategie überarbeiten. Noch macht er keine konkreten Angaben zu Anzahl und Zeitpunkt der Tests. Auch im Thurgau und in Basel-Stadt sprachen sich die Behörden gegen breit angelegte Tests aus.

Doch nicht nur in den Kantonen stockt die Testoffensive. Auch viele Unternehmen üben sich in Zurückhaltung. So wird die Belegschaft derzeit weder bei Coop, Migros noch Denner flächendeckend getestet. Ebenfalls testen die Bundesbetriebe Post und SBB ihr Personal nicht präventiv über alle Einheiten hinweg. Das Ziel des Bundesrats, jeweils 40 Prozent der Bevölkerung jede Woche präventiv auf Corona testen zu lassen, droht damit im Behörden-Hickhack aufgerieben zu werden.

Das braucht Mut: Warum diese SVP-Nationalrätin alleine gegen ihre ganze Fraktion gekämpft hat

Die SVP-Fraktion stimmte im Nationalrat geschlossen für Turbo-Öffnungen- mit einer Ausnahme: Die Thurgauerin Verena Herzog zog beim Prestigeprojekt ihrer Partei nicht mit. Ein kurzes Gespräch in der Wandelhalle.

Es sollte der Höhepunkt des Aufstandes werden, den die SVP gegen die angebliche Coronadiktatur in Bern probte. Es war ein Prestigeprojekt der Fraktion: Der Bundesrat sollte per Covid-Gesetz gezwungen werden, die Restaurants und Fitnesscenter zwingend am 22. März wieder zu öffnen. Um fast jeden Preis, unabhängig von den Fallzahlen. Nur wenig schien der Partei wichtiger.

Die gesamte SVP-Fraktion stimmte dafür. Die ganze Fraktion? Nein. Eine Frau wehrte sich: Verena Herzog, 65, dreifache Mutter, ausgebildete Kindergärtnerin, seit 2013 im Nationalrat. Die Thurgauerin war die einzige SVPlerin, die sich gegen das fixe Öffnungsdatum aussprach. Sie stimmte mit SP, Grünen, FDP und Mitte. Gegen ihre eigene Partei.

«Ich kann dies nicht verantworten»

Straff hierarchisch organisiert, an Alphatieren reich: Das ist die SVP. Hier Paroli zu bieten: Das braucht Mut oder Nerven aus Drahtseilen. Könnte man meinen. Doch Verena Herzog steht zwei Tage später gelassen und mit sich im Reinen in der Wandelhalle. Sie habe ihren Entscheid, wie dies üblich sei, im Vorfeld der Fraktion mitgeteilt. «Es gab gar keine Probleme», sagt sie und lächelt. «Leider konnte ich sonst niemanden in der Fraktion überzeugen.» Freundlich und bestimmt erklärt sie:

«Man kann doch kein Datum vorschreiben. Ob man öffnen kann oder nicht, darüber entscheiden die epidemiologische Lage und die Belegungszahlen auf den Intensivstationen.»

Herzog ist Mitglied der Gesundheitskommission. Sie ist kein Polteri, spricht ruhig und sachlich. Sie zitiert Zahlen und Studien. Sie wolle auf keinen Fall einen Jojo-Effekt, ausgelöst durch zu frühe Öffnungen, sagt sie. «Als Gesundheitspolitikerin kann ich dies nicht verantworten.» Derzeit könne man in den Spitälern wichtige Operationen nachholen, die zuletzt wegen der überbelegten Intensivstationen aufgeschoben werden mussten. Dies dürfe man nicht durch steigende Ansteckungszahlen gefährden, sagt sie – und vergleicht die Pandemiebewältigung mit dem Autofahren: «Man kann nicht erst auf die Bremse treten, wenn man in der Wand ist.»

Trotzdem: Nicht zufällig ist die Thurgauerin in der SVP

Es ist jetzt allerdings nicht so, dass Herzog bezüglich Lockerungen zu den Hardlinern gehören würde. «Man muss es differenziert» ansehen, sagt sie. Bars, in denen man sich eher näher kommt, würde sie noch nicht öffnen. Es spreche aber nichts dagegen, dass man wieder in Speiserestaurants mit Schutzkonzepten gehen könne.

Differenzen bei den Coronalockerungen hin oder her. Dass Verena Herzog in der richtigen Partei ist, zeigt der Blick auf ihr Smart-Vote-Profil. In den Bereichen Migrationspolitik und Law & Order kann man kaum härtere Positionen einnehmen. Sie hat bei Abtreibungsdebatten konservative Positionen eingenommen und sie enerviert sich, wenn Masturbation im schulischen Aufklärungsunterricht zu offensiv thematisiert werden soll. Es gibt Werte, die will Herzog laut ihrer Homepage «nicht ideologischen geprägten Modeströmungen» opfern.

Der Druck war richtig, über das Wort Diktatur kann man streiten

Das Wort Diktatur würde Herzog zwar nie verwenden. Aber sie findet es richtig und nötig, dass ihre Partei mächtig Druck gemacht hat. Zu viel laufe beim Bund falsch. Dann zählt sie auf: Softwareprobleme, zu wenig Impfstoff, das Maskendebakel. «Der Bund ist zu wenig offen für Innovationen», sagt Herzog. Sie fordert ein Vorwärtsmachen bei der medikamentösen Therapie. Und sie ist für das Tragen der FFP-2-Masken, die sie selbst im Bundeshaus aufgesetzt hat. Herzog:

«Der Bund hat auch von diesen Masken zu wenig beschafft. Nur deshalb ist er so zurückhaltend.»

Gegen Ende des Gespräches sagt Herzog: Sie hadere manchmal mit den Mechanismen der Politik. Diese neige dazu, viel zu kurzfristig zu denken und zu handeln. «Ich will nicht kurzfristig denken», begründet sie ihren Covid-Entscheid. Und: «Am Ende des Tages muss ich in den Spiegel schauen können.»

«Panik ist sicher nicht angebracht»: Die Ostschweizer Nationalrätinnen Verena Herzog (SVP) und Barbara Gysi (SP) über die momentane Lage der Pandemie

Die Fallzahlen steigen, einige Kantone verschärfen die Massnahmen. Die St.Galler SP-Nationalrätin Barbara Gysi und die Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog diskutieren in der TVO-Sendung «Zur Sache» über mögliche Verschärfungen und die Rolle von Coronaskeptikern.

Sprunghaft ist die Zahl der Neuansteckungen mit dem Coronavirus in den letzten Tagen nach oben geschnellt. Am Mittwoch meldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 1077 neue Fälle. Ähnlich hohe Zahlen wurden das letzte Mal im April mitgeteilt. Und auch in der Ostschweiz zeigt die Kurve weiter nach oben.

Die Kantone St.Gallen und Thurgau vermeldeten für den Mittwoch Höchstzahlen. In St.Gallen wurden 73 neue Fälle bestätigt; im Thurgau waren es 21. Demgegenüber ist die Auslastung der Spitäler nach wie vor gering. 12 Personen müssen im Kanton St.Gallen derzeit wegen des Coronavirus in Spitälern gepflegt werden, sechs sind es im Thurgau.

Wenn das so weitergehe, würden früher oder später wohl auch in der Ostschweiz weitere Massnahmen eingeführt, sagte die St.Galler SP-Nationalrätin Barbara Gysi in der TVO-Sendung «Zur Sache». Die Kantone Bern und Zug haben am Mittwoch eine Maskenpflicht in Geschäften eingeführt, wie sie bereits andere Kantone kennen. Die Ostschweizer Kantone halten eine solche Massnahme zum jetzigen Zeitpunkt nicht für angezeigt.

Eine Maske zu tragen, sei jedoch eine sehr kleine Einschränkung, verglichen damit, was man dadurch bewirken könne, sagte die Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog – einige der wenigen Exponenten ihrer Partei, die während der Session eine Maske trugen. Dass derzeit trotz Coronaherbst Grossveranstaltungen mit Schutzkonzepten durchgeführt werden, hielten beide Politikerinnen für vertretbar.

Referat anlässlich der Medienkonferenz «Schutz der Gesundheit der Menschen»

Unabhängig von Parteicouleur sind wir ALLE aufgefordert, uns erstens strikte an die Schutzmassnahmen des BAG zu halten und mitzudenken. Und zweitens, damit die schrittweise Normalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft möglich wird, ist eine Schutzmaskenpflicht, sobald genügend Masken vorhanden sind, äusserst nützlich! Gleichzeitig sind andere Massnahmen unumgänglich: Z.Bsp. die Testung möglichst vieler Personen und Positive in Quarantäne; vorübergehende Isolation aller älteren und vulnerablen Personen (Spaziergänge und Gartenarbeit sind selbstverständlich möglich) etc., etc.. Jeder soll solidarisch seinen Beitrag leisten! Vorausdenken ist angesagt! Nur gemeinsam schaffen wir das!

Im Folgenden werde ich zum Wichtigsten überhaupt, zum Schutz der Gesundheit der Menschen sprechen. – Wir alle können durch Einhalten ein paar weniger Verhaltensregeln wesentlich dazu beitragen, dass

  1. möglichst wenig Menschen erkranken!
  2. unser Gesundheitssystem nicht überlastet wird
  3. dass bald möglichst wieder gearbeitet werden kann und
    unser gesellschaftliches Leben wieder normalisiert werden kann.

Die bisherigen Verhaltensregeln, wie vom BAG gefordert,  sind richtig und gelten auch in Zukunft. Allerdings sind sie leider zu zögerlich erfolgt.

  • Social Distancing ist zwingend, da Tröpfchen selten mehr als 2m durch die Luft verfrachtet werden
  • Hände häufig waschen ist zwingend – Hände desinfizieren mit wirkungsvollen Mitteln ist noch besser. Denn Kontakt mit Oberflächen jeglicher Art, die Virus belastet sind, ist unumgänglich. Der Feind ist unsichtbar und weder spür- noch bemerkbar,
  • Zum Nutzen der Hygienemasken: Jede HM hält Tröpfchen über eine lange Tragzeit ab, somit auch die Tröpfchen, welche die Viren transportieren. HM sind deshalb logischerweise eine Riesenhilfe, auch wenn nicht ein 100%iger Schutz vorhanden ist.
  • Schon zu Beginn ist die Behauptungen des BAG im Raum gestanden, HM seien wirkungslos. Das ist völlig falsch! Wir wissen es: Das war und ist eine reine Notlüge! – weil die Pflichtlager nicht gefüllt sind.
  • Voraussetzungen für die Wirksamkeit, ist die korrekte Anwendung und Handhabung der HM.
  • Eine Abgabe von Schutzmasken braucht also eine einfach verständliche Aufklärungskampagne. Dazu gehören:
    – Je sorgfältiger die Maske dem Gesicht angepasst wird, je dichter der Abschluss der HM, desto besser. – Die Maske soll nur mit gereinigten Händen angefasst werden und richtig manipuliert werden.
  • Disziplin gilt auch beim Tragen von Hygiene-Handschuhen in Risikozonen.
    • Im Arbeitsprozess sind das z.B.  Gegenstände/Werkstücke, die von mehreren Handwerkern in kurzer Zeitfolge mehrmals an gleichen Stellen angefasst werden oder Maschinen, die durch mehr als eine Person bedient werden. Eine Mehrfachverwendung der Hygiene-Handschuhe ist nicht möglich.
    • Im Alltag bei der Bedienung von Tastaturen wie beim Kontakt mit Tastauren von elektronischen Zahlungsmitteln wie Bankomaten, aber auch mit Münzen und insbesondere Noten. 

Begleitend zu all diesen Massnahmen gilt: Es sollen möglichst viele Tests gemacht werden, damit der Gegner sichtbar wird. Dadurch kann die Wirksamkeit aller Massnahmen massiv erhöht werden.

Zusammenfassung:

  1. Schutzmasken ersetzen bisherig getroffenen Verhaltensmassnahmen nicht. Sie ergänzen sie als wirkungsvolles Mittel.
    Entgegen Behauptungen sind Schutzmasken nicht wirkungslos, sondern ein hilfreicher Schutz, auch wenn nicht 100%ig, aber über 90% ist viel besser als nichts. – Durch alle Schutzmassnahmen, insbesondere der HM wird ermöglicht, dass bald wieder gearbeitet und unser gesellschaftliches Leben wieder normalisiert werden kann.
  2. Die Wirksamkeit aller dieser Schutzmassnahmen kann nur mit der zwingend notwendigen Konzentration und Disziplin ausgeschöpft werden. – Wer sie nicht hat, muss besser zu Hause bleiben!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

SRF 1 Forum – Diskussion zur Abstimmung: Soll Hass und Hetze gegen Homosexuelle strafbar werden?

Homophobie ist kein Bagatelldelikt, sind sich National- und Ständerat einig. Deshalb will man die Antirassismus Strafnorm um die Kategorie «sexuelle Orientierung» erweitern. Das Komitee «Nein zu diesem Zensurgesetz!» kämpft gegen diese Erweiterung. Am 9. Februar stimmen wir darüber ab. 

Das Referendumskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz» sieht darin jedoch die Meinungs- und Gewerbefreiheit bedroht. Meinungen müssten auch unbequem sein, argumentieren die Gegner. Zudem bräuchten Homosexuelle keine Sonderrechte.

In der Sendung «Forum» auf Radio SRF 1 diskutierten folgende Gäste über die Abstimmungs-Vorlage:

  • Salome Zimmermann, Vorstand LOS – Lesbenorganisation Schweiz
  • Verena Herzog, Nationalrätin SVP, Mitglied des Referendumskomitees

«Fahrlässig und bedenklich»

Schweizerische Gewerbezeitung: In der beruflichen Vorsorge ist der Mindestumwandlungssatz seit langer Zeit zu hoch angesetzt. Wie gravierend sind die Probleme, die sich daraus ergeben?

Verena Herzog: Die Lage ist gravierend. Es gibt heute schon in der 2. Säule eine Umverteilung von Jung zu Alt. Diese ist dort nicht vorgesehen und belastet das Alterssparkapital der aktiven Generation. Diese Lücken müssen dann wieder die Jungen schliessen. Das ist eine verantwortungslose Negativspirale, quasi ein Schneeballsystem.

Der Mindestumwandlungssatz ist eine technische Grösse. Für Anpassungen ist jedoch die Politik zuständig. Macht das Sinn?

Wie man am Zustand heute sieht, ist die Politik nicht die richtige Instanz, den Mindestumwandlungssatz zu bestimmen. Diese technischen Parameter müssten entpolitisiert und beispielsweise an die Lebenserwartung gekoppelt werden.

Der Arbeitgeberverband unterstützt bei der BVG-Revision das Modell der Gewerkschaften, das eine Umverteilung in der 2. Säule vorsieht. Was halten Sie davon?

Dies ist eine unverantwortliche Politik, welche unser bewährtes 3-Säulen-Modell über den Haufen wirft. Die 2. Säule wird dann wie die 1. Säule eine Umverteilungsmaschine, die man nie mehr wegbringt. Die kommenden Generationen werden diesen Schlamassel teuer bezahlen müssen.

«DIE TECHNISCHEN PARAMETER MÜSSTEN ENTPOLITISIERT WERDEN.»

Aber was spricht in unserem wohlhabenden Land denn gegen den Leistungsausbau in Form eines Rentenzuschlags?

Irgendjemand muss diesen Ausbau bezahlen. Am härtesten wird es den Mittelstand und unsere KMU treffen. Keines unserer Sozialwerke ist solide aufgestellt. Hier an einen weiteren Ausbau zu denken, ist fahrlässig und unverantwortlich.

Die ganze Welt beneidet die Schweiz um das 3-Säulen-Modell. Haben Sie Bedenken, dass mit der Abkehr vom Einlageprinzip in der 2. Säule dieses Erfolgsmodell aufs Spiel gesetzt wird?

Ja, ich habe grosse Bedenken. Unser System hat sich bewährt und ist lange Zeit erfolgreich gewesen. Dass nun der Arbeitgeberverband daran rüttelt, anstatt strukturelle Verbesserungen vorzuschlagen, ist bedenklich.

«SCHON BALD WERDEN DIE UMVERTEILUNGSSYSTEME NICHT MEHR BEZAHLBAR SEIN.»

Das Modell hätte auch zur Folge, dass ältere Grossverdiener von den Jungen subventioniert werden müssten. Ist das politisch tragbar?

Nein. Bei solch grossen Umverteilungsinstitutionen gibt es immer Fehlanreize und wieder neue Ungerechtigkeiten. Dann schraubt man am System rum, was aber an der Grundstruktur nichts ändert. Die Umverteilung von Jung zu Alt sollte nicht Teil der 2. Säule sein. Der Generationenkonflikt wird weiter verschärft.

Sie befürchten einen Generationenkonflikt?

Dieser wird noch zunehmen. Schon bald werden diese Umverteilungssysteme nicht mehr bezahlbar sein. Die AHV ist auch schon sehr rasch wieder in den roten Zahlen. Wir verschieben die Probleme auf kommende Generationen.

Was hätte die Erhöhung der Lohnprozente für einen Einfluss auf den Wirtschaftsstandort Schweiz?

Der Unternehmensstandort Schweiz würde an Attraktivität einbüssen. Die Schweiz hat heute schon hohe Lohnkosten. Aber mit der Erhöhung der Lohnnebenkosten wird das noch zusätzlich verschärft.

Mit der Halbierung des Koordinationsabzugs wären Niedriglohnbranchen am heftigsten betroffen. Ist dieser Schritt sinnvoll?

Auch die Senkung des Koordinationsabzugs verursacht weitere Kosten und ist ein Ausbau. Doch um die längst fällige Erhöhung des Frauenrentenalters teilweise abfedern zu können, da doch ein grosser Teil der Frauen Teilzeit arbeitet, ist wenigstens eine Senkung des Koordinationsabzugs zu überlegen.

Der sgv hat ein eigenes Modell eingereicht (vgl. Kasten), das bewusst auf einen Leistungsausbau und höhere Lohnprozente verzichtet. Es ist darauf beschränkt, die Einbussen auszugleichen, die eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes mit sich bringt. Wie beurteilen sie diesen Ansatz?

Dieser Ansatz muss so verfolgt werden. Wir kommen nicht darum herum, die Probleme an der Wurzel anzupacken. Die Senkung des Umwandlungssatzes muss natürlich abgefedert werden. Aber ein Ausbau ist nicht nötig und auch nicht zu verantworten.

«EIN AUSBAU IST NICHT NÖTIG.»

Bundesrat Alain Berset will das Gewerkschaftsmodell rasch und ohne grosse Anpassungen durchs Parlament schleusen. Wird ihm das gelingen oder wird das Parlament noch Korrekturen vornehmen?

Bei einem bürgerlichen Parlament könnte es sein, dass es Korrekturen geben wird. Aber wenn die Wirtschaft nicht mehr geschlossen für unser liberales und auf Eigenverantwortung aufgebautes Erfolgsmodell Schweiz mit einem schlanken Staat und klugen Sozialwerken einsteht, ist wohl Hopfen und Malz verloren.

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