Sollen Steuerzahler individuelle Sonderwünsche bezahlen?

zu Abstimmung „Freie Schulwahl“, 7.März 2010

Kinder in unserem Land haben das Privileg, dass mindestens die Primarschule im eigenen Quartier oder Dorf gemeinsam mit den „Quartiergschpänli“ absolviert werden kann. Die „Freie Schulwahl“ erzwingt einen Systemwechsel und torpediert das bewährte Quartierschulsystem. Eltern mit individuellen Sonderwünschen entwurzeln ihr Kind aus der vertrauten Umgebung. Zurück blieben ganz sicher diejenigen Kinder, die ohnehin schon schlechtere Startchancen haben, die Kinder aus sozial schlechter gestellten Familien, die weder den zusätzlichen zeitlichen, noch finanziellen Aufwand für den Transport und das auswärtige Mittagessen auf sich nehmen könnten. Die Gettoisierung  wie Erfahrungen in Ländern mit „Freier Schulwahl“ zeigen, würde noch verstärkt, die Chancengleichheit noch mehr gefährdet.  Schlimmstenfalls müssten aber durch die Abwanderung nur einer weniger Kinder, aus betriebswirtschaftlichen Gründen sogar Klassen reduziert oder ganze Schulen geschlossen werden. Denn bereits als Folge der Demografie sind sinkende Schülerzahlen feststellbar. Dadurch wären mit einem Schlag durch individuelle Wünsche einer Weniger, alle Kinder und Eltern betroffen. Noch mehr Kinder müssten auf ihren erlebnisreichen, kurzen und sicheren Schulweg verzichten und würden herumchauffiert. Das Schulsystem wäre kaum mehr planbar und würde erheblich verteuert. – Für Kinder in schwierigen Situationen ist übrigens bereits nach dem heutigen Volksschulgesetz der Wechsel in eine andere Klasse oder Schule möglich (auch sinnvoll) und wird auch praktiziert. Übrigens: „Freie Schulwahl“ heisst nicht „freie Lehrerwahl“. Es könnte nur das Schulhaus oder die Privatschule ausgesucht – und vom Steuerzahler auch noch subventioniert werden! Dies dürfte kaum im Sinne der Mehrheit von Familien und Steuerzahlenden sein. Einzelinteressen sollen nicht vor das Allgemeinwohl gestellt werden.

Die Forderung, dass Eltern die Schule ihrer Kinder frei wählen können, verunmöglicht eine sinnvolle Schulplanung. Dass der Staat den Besuch von Privatschulen in der ganzen Schweiz finanziert, führt über kurz oder lang zu einem Zweiklassensystem. Die Chancengerechtigkeit wird gefährdet. Unsere Wirtschafts- und Staatsform lebt aber nicht nur von Tellerwäschern und Millionären, sondern von einem allgemein guten Bildungsniveau mit tüchtigen Berufsleuten. Mit der Unterstützung des Besuchs von Privatschulen in der ganzen Schweiz werden teure Parallelstrukturen geschaffen, die nichts zur allgemeinen Verbesserung der Schulqualität beitragen. Im Gegenteil: die Aufteilung der vorhandenen staatlichen Mittel schwächt die öffentliche Schule, weil sie ihr die notwendigen Finanzen entzieht. Die Aufwendungen für die Privatschulen und der Verwaltungsaufwand müssten durch Einsparungen bei der öffentlichen Schule kompensiert oder die höheren Bildungsausgaben durch mehr Steuereinnahmen gedeckt werden. Eine wichtige Errungenschaft der Schweiz, das öffentliche Bildungssystem mit seinen demokratischen Strukturen wird leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Dies dürfte kaum im Sinne der Mehrheit von Familien und Steuerzahlenden sein. Einzelinteressen sollen nicht vor das Allgemeinwohl gestellt werden.

Was auf den ersten Blick so verlockend tönt, zeigt auf den zweiten Blick gravierende Konsequenzen. Die Initiative „Freie Schulwahl“ ist undurchdacht und kontraproduktiv. Sie entzieht der öffentlichen Schule Gelder, gefährdet Quartier- und Dorfschulen und führt zwangsläufig zu einem Zweiklassensystem für Schulkinder.

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